Deutsche Tischtennis-Meisterschaft: Überzeugungskraft und Überdruss
Bei den TT-Finals fehlt die Herren-Prominenz. So ist alles auf Annett Kaufmann zugeschnitten. Weniger Partien hätten dem Turnier gutgetan.
Doch selbst Dang Qiu, der gewiss etwas Bestätigung gebraucht hätte, Patrick Franziska und sogar Benedikt Duda, der hier einen Titel zu verteidigen hatte, ließen sich in den Messehallen nicht blicken. Qiu ist mit Borussia Düsseldorf noch im Mannschaftsendspiel Ende Juni gefragt, die anderen brauchten anscheinend eine Pause. Oder wollen sich auf Wichtigeres konzentrieren als auf eine Deutsche Meisterschaft.
Bei den Männern lief es somit auf einen neuen Titelträger hinaus. Zweite Garde und Nachwuchs, das wären die diffamierenden Begriffe, um die Konkurrenz zu beschreiben. Kay Stumper und Wim Verdonschot, von Namen und Potenzial her die Besten, trafen schon im Halbfinale aufeinander, mit dem besseren Ende für Stumper. Gegner im Finale sollte dann Fan Bo Meng sein. Wer glaubte, das würde easygoing werden für Stumper, sah sich allerdings getäuscht: Am Ende stand ein knappes 11:9 im Entscheidungssatz.
Kay Stumper ist also erstmals Deutscher Meister im Tischtennis. Im Doppel gewann Verdonschot mit Andre Bertelsmeier gegen Matthias Danzer und Alexander Flemming. Da bei den Männern Lichtfiguren fehlten, war alles auf sie zugeschnitten: Annett Kaufmann, Vorzeigespielerin, Titelverteidigerin, Juniorenweltmeisterin.
Heranwachsende Konkurrenz
Und Kaufmann lieferte ab: Plakatmotiv in der halben Stadt, Autogrammstunden, Porträts, präzises, aggressives Spiel, Titelverteidigung. Kann sein, dass beispielsweise mit Lorena Morsch, Siegerin bei den Juniorinnen und im normalen Wettbewerb nur deswegen im Achtelfinale ausgeschieden, weil sie da schon auf die spätere Finalistin Sabine Winter treffen musste, bereits Konkurrenz heranwächst. Denn auch Morsch überzeugt mit präzisem, dabei etwas unaufgeregterem Spielstil. Und hat ebenfalls Darstellungspotenzial.
Die andere Kronprinzessin, Josephina Neumann, erst 15 Jahre alt, hatte in Erfurt etwas mehr zu kämpfen, vor allem mit einer Fußverletzung. Aber immerhin erreichte sie mit Koharu Itagaki das Finale im Damen-Doppel, das Sabine Winter und Kathrin Mühlbach mit viel Mühe im Entscheidungssatz gewannen.
Die Konkurrenz bei den Damen war insgesamt gut besetzt. Yuan Wan lieferte sich reihenweise Schlachten mit ihren Gegnerinnen und Sabine Winter zeigte, dass sie seit ihrem Formatwechsel in einer eigenen Liga spielt. Die vierte Halbfinalistin war mit Sophia Klee eine kleine Überraschung. Gegen Kaufmann hatte sie gleichwohl keine Chance (sprich 0:4 in Sätzen). Im Finale kam es also zu dem Zusammentreffen der letzten beiden Meisterinnen. Kaufmann beherrschte Winter nach verlorenem ersten Satz recht klar. Die 18-Jährige holte sich den Meistertitel zum zweiten Mal in Folge.
Die besten Storys aber lieferten die Alten. Bei den Herren startete Torben Wosik eine Art Comeback. Der inzwischen 51-Jährige fiel schon rein optisch auf: blondierte Haare in einer Rainald-Goetz-Frisur, dazu mit stattlich aufgepumptem Körper versehen. In der Einzel-Konkurrenz fehlte ihm etwas das Glück. Immerhin erreichte der Deutsche Meister von 1999 und 2008 mit Kirill Fadeev das Halbfinale im Doppel. Übertrumpft wurde dieses Comeback von Tanja Krämer, die ebenfalls 2008 den Titel im Einzel holte. Damals war sie 29. Als jetzt 46-Jährige schaffte sie es, mit Tobias Hippler den Titel im Mixed zu erringen.
Überhaupt überzeugte die Veranstaltung mit Bandbreite: Neben ganz Jungen – man konnte einer 12-Jährigen dabei zusehen, wie sie nach einem 11:13 im Entscheidungssatz in Tränen ausbrach – spielten auch die Alten, also Seniorinnen und Senioren, auf. So füllte sich das gesamte Messegelände in Erfurt, erstreckt auf drei Hallen, während der gesamten Pfingstfeiertage. Produzierte aber auch Wuseligkeit, Unübersichtlichkeit und einen latenten Überdruss, wie man ihn tatsächlich von Messebesuchen kennt.
Vielleicht wäre ein Final 4 die bessere Idee gewesen: Halbfinale und Finale bei Damen und Herren, dazu die Endspiele im Doppel und Mixed an einem Ort, der alles mehr konzentriert hätte. Am Ende wäre dann auch die Prominenz aufgeschlagen. Obwohl, Publikum konnten die in Erfurt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!